COMPA - Teatro Trono – Wie ist die Lage in El Alto/Bolivien?

22.06.2020
COMPA - TEATRO TRONO

E-Mail von Ana Salazar, 27.05.2020
Mitbegründerin von COMPA
Gruppenvideo auf Facebook

Wie ist die Lage in El Alto/Bolivien?

Bolivien durchlebt eine sehr schwierige Zeit auf allen Ebenen: politisch, sozial, das Gesundheitswesen betreffend...
Wir werden von einer Gruppe von Menschen regiert, die vor allem sehr willkürlich gewählt worden sind, angefangen mit der Präsidentin. Sie wurde von einer Gruppe von Menschen gewählt, die zu den oligarchischen Klassen gehört und gegen die Regierung von Evo Morales ist.
Unterstützt von den Streitkräften sind sie in Begleitung hoher Militärs (einer von ihnen legte Yanine Añez die Präsidentenschärpe um) und mit der Bibel in der Hand als Machtsymbol, in den Präsidentenpalast eingezogen. Dabei riefen sie laut, dass die Whipala (heiliges Symbol der Andenvölker) nie wieder den Regierungspalast betreten würde. Sie verbrannten die Whipala sogar symbolisch. Dieses Vorgehen hat uns an die Zeit der spanischen Conquista erinnert. All dies löste in der Bevölkerung und in den Gemeinden viel Empörung aus, auch in der Stadt El Alto, in der eine Demonstration gegen diese rassistischen Haltungen organisiert wurde. Die Reaktion der Übergangsregierung auf diese Demonstrationen, nicht nur in der Stadt El Alto (Senkata-Zone), sondern auch in Sacaba (Cochabamba), war eine bewaffnete Intervention des Militärs, der auf unmenschliche Weise 80 Tote zum Opfer fielen. Diese Übergangsregierung ist korrupt, repressiv und sehr vetternwirtschaftlich.

Korrupt, weil es seit ihrer Machtübernahme viele finanzielle Unstimmigkeiten gegeben hat, wie beispielsweise die Anschaffung von Beatmungsgeräten, um den COVID-19-Erkrankten zu helfen, die laut des Gesundheitsministers sehr kostspielig, den Medien zufolge jedoch sehr günstig waren. Die Regierung ist repressiv, weil sie die Quarantäne ausnutzt, um Gesetze zu erlassen, die die Menschenrechte verletzen, wie zum Beispiel das Oberster Dekret 4232, das der bolivianischen Regierung einen Freifahrtschein gibt, um mit transgenem Mais-, Zuckerrohr-, Baumwoll-, Weizen- und Sojasaatgut zu arbeiten. 

Ein weiteres Dekret, das verabschiedet wurde, war das Dekret 4199, das sich gegen den freien schriftlichen, erzählerischen und künstlerischen Ausdruck richtet.
Die Regierung ist auch deshalb repressiv, da sie die Straßen in den Gegenden oder Vierteln, die sich gegen die gewalttätige Haltung der Regierung und ihrer Minister auflehnen, militärisch kontrolliert. Bolivien hatte nie ein angemessenes Gesundheitssystem, das sich jetzt durch die Umstände, die der Virus mit sich bringt, noch verschlechtert. Die Menschen kaufen Beatmungsgeräte, die nicht nur sehr teuer (laut dem Gesundheitsminister, der für seine Aussage sogar verhaftet und kurz darauf ohne Anklage abgesetzt wurde), sondern auch ungeeignet sind. Es mangelt an Materialien, um auf das Virus zu testen, Ärzte und Krankenschwestern haben keine geeignete Schutzkleidung und sind ständig einer Ansteckung ausgesetzt. Krankenhäuser haben keine angemessene Infrastruktur, um Coronaviruspatienten aufzunehmen und Privatkliniken sind recht teuer. Viele Patienten, die sich mit dem Virus infiziert haben, gehen aus Angst vor Diskriminierung nicht in Gesundheitszentren, da sie stigmatisiert werden.

Wie ist die Situation von COMPA/Teatro Trono?

Das Teatro Trono y Compa durchlebt eine schwierige Zeit. Das Kulturzentrum ist aufgrund der Quarantäne geschlossen und wir können keine künstlerischen Workshops anbieten, die zur Deckung der Grundkosten des Zentrums notwendig wären. Alle Aktivitäten, die zur Feier des 30-jährigen Thronjubiläums geplant sind, wurden abgesagt, so auch gemeinschaftsinterne Veranstaltungen, wie Shows, Vorträge, Debatten, kreative Workshops usw.

Wie unterstützt ihr die Bevölkerung?

Wir sind Teil einer lateinamerikanischen Bewegung auf internationaler Ebene, die sich Cultura Viva Comunitaria nennt und mit der wir uns an den Community Care Weaves beteiligen, indem wir Nahrungsmittel zu den bedürftigsten Familien bringen.
Außerdem veranstalten wir auch als Trono interne Aktionen, um die eigenen Mitgliedern der Gruppe und des Hauses zu unterstützen. Viele der Gruppenmitglieder haben keine Ressourcen, um die Zeit der Pandemie zu überstehen, weshalb wir Lebensmittel sammeln, um uns selbst zu versorgen. Wir tun dies auch in einem unserer Häuser weiter abseits von El Alto, wo Kinder aus zerrütteten und wirtschaftlich benachteiligten Familien, sowie Menschen, die Opfer des Massakers von Senkata wurden, untergebracht sind.

Wir drehen kurze Videos, in denen junge Menschen die Quarantäne in Form von Lesungen und Tanz thematisieren und über Themen wie z.B. Heilpflanzen sprechen. Diese werden über soziale Netzwerke geteilt. Außerdem veranstalten wir virtuelle Workshops, um über die aktuelle Situation und unsere zukünftigen Aktionen angesichts der Pandemie und darüber hinaus zu sprechen.

Wie fühlst du dich persönlich?

Ich persönlich bin einerseits sehr frustriert über die Übergangsregierung, die uns in unangenehme Situationen bringt, da es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die notorisch ihre Macht dazu ausnutzt, sich mit Geld zu bereichern, dass der Bevölkerung zusteht. Auf der anderen Seite fühle ich mich motiviert, den Kampf, die Gesellschaft durch gemeinschaftliche Kunst und gemeinschaftliches Theater zu verändern, den wir als Teatro Trono seit 30 Jahren kämpfen, fortzuführen. Es ist ein Schlüsselmoment, um uns als Menschen zu überdenken und die Errungenschaften, die bereits an der Seite der am meisten Unterdrückten und derer, die einen Anspruch auf Gerechtigkeit und Respekt haben erkämpft wurden, zu festigen.